Loginstatus: Nicht eingeloggt · Einloggen

Zwei Tage in Abwesenheit

AutorNachricht
Veröffentlich am: 09.03.2012, 13:26 Uhr
Es war eine jener Nächte, die einen wach bleiben ließen, egal was man auch probierte. Mit dem Blick zum Himmel lag die junge Frau auf einem kleinen Dachvorsprung, welcher so versteckt unter einem anderen Dach war, dass die Greifenreiter sie nicht erspähten und auch die patrouillierenden Wachen keine Notiz von ihr nahmen. Unter einem dunklen Mantel liegend und den Kopf auf einem Arm gebettet betrachtete sie die Sterne, die sich blass auf der Himmeldecke abzeichneten. Was war es nur für ein Tag gewesen? Was waren es für Tage gewesen? In letzter Zeit häufte sich das Gefühl, dass alles an ihr vorbei rauschte und sie kaum teil hatte an den wahren Geschehen ihrer neuen Familie. Zaq war verschwunden gewesen. Anscheinend entführt worden war sie, doch das einzige was Phre vorgefunden hatte am Laden war ein Zettel mit den Wortet „Miss’s is weg“ – natürlich sehr aufschlussreich in dieser Situation, wo alle weg sind und die Welt sie zurück ließ. Und als dann alle irgendwie wieder aufgetaucht waren, waren Zaq und Rabe verletzt und lagen im Zelt. Dass sie nicht so wirklich helfen konnte nagte ein wenig an ihr, doch was ihr wirklich einen Stich versetzt hatte war mit welcher gelassenen Gleichgültigkeit Feris wieder aufgetaucht war. War das alles nun ein Hirngespinst, ein makaberer Scherz? Hatte sie irgendwas nicht mitbekommen? Einfach unglaublich.
Nicht das dies das einzige gewesen wäre, was sie vom Schlafen abhielt, nein, es war noch so viel mehr dieser Tage passiert. Die Sticheleien, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen- bezüglich ihrer Nähe zu Menschen, der Liebe und Lust-, dem Auftrag, den sie von Zaq übertragen bekommen hatte und an sich dieser aufwühlende Tag an dessen Ende sie sich nun befand. Was würde noch alles kommen? Irgendwas musste sie ändern, denn an einem Tag morgens auf dem Weg zum See überfallen werden, wobei das Ziel definitiv nicht ihre Münzen gewesen wären und der Fremde hinter der Kathedrale, den sie hatte anderweitig abwimmeln können, war einfach nicht normal. Einen Moment stockte ihr Atem, als sich die Gedanken unwillkürlich zum Morgen schlichen und sie dieses Ereignis Revue passieren ließ.
Wie so oft war sie etwas vor Sonnenaufgang wach gewesen, war gelaufen und hatte trainiert. Frische Wäsche und ein grobes Leinenhandtuch mitnehmend war sie dann hinaus aus der Stadt zu einem kleinen See im Wald von Elwynn. An diesem war ein Wasserfall unter dem sie gedachte sich zu waschen. Auf dem Weg dorthin waren plötzlich Fußschritte hinter ihr gewesen. Erst leise, dann deutlich zu vernehmen waren zwei Verfolger. Sie hatte ihren Dolch dabei gehabt, mehr aber auch nicht. War es etwa wieder ein gedankenloser Fehler ihrerseits gewesen oder einfach unglücklicher Zufall? Hätte sie es verhindern können? Versucht die Verfolger abzuschütteln schlug sie Haken und lies sich alles Mögliche einfallen, doch nichts hatte geglückt. Ob es lediglich Vergewaltiger waren, die ihren Spaß mit einer jungen Frau wollten oder sie gar am Ende umgebracht hätten, konnte Phresett nicht mit Bestimmtheit sagen, denn gerade, als sie schon am Boden lag, eine Klinge am Hals spürte, Hiebe gegen Rücken und Rippen hatte einstecken müssen war dieser Kal’Dorei da gewesen. Es war buchstäblich die Rettung in letzter Sekunde gewesen, denn einer der beiden Männer, jener der nicht ihren Oberkörper fixierte und ihr den Dolch an die Kehle hielt, hatte bereits mit gierigen Augen seine Hose geöffnet und legte bereits seine wulstigen Finger an den Bund ihrer Hose. Ein erstaunter Gesichtsausdruck machte sich breit, als die Klinge aus seiner Brust ragte und die junge Frau, sowie seinen Kumpanen mit feinem rotem Nebel benetzte. Was danach mit den zwei Männern geschah wanderte wie andere Dinge in eine Ecke ihres Bewusstseins, welches nur für Alpträume verwendet wurde oder völlig verdrängt wurde. Ganz sicher war sie sich auch nicht mehr, was für Worte nach diesem Blutbad gewechselt worden waren, jedoch waren Bruchstücke haften geblieben, so glaubte sie zumindest. Oder war es vielleicht doch alles nur ein verrückter Traum gewesen? Doch diese Hoffnung konnte sie nicht aufrecht erhalten, als sie nun am Abend immer noch die Schmerzen durch die Schläge spürte. Keinem würde sie davon erzählen. Niemandem, noch nicht einmal Tilendra. Sie würden sich alle zu viele Sorgen, Gedanken und dergleichen machen. Was hatte der Runenkrieger alles gesagt? Etwas von einer Rose, die noch erblühen musste, ein Lamm, welches noch zum Wolf werden musste. Irgendwie so etwas. Sie schuldete ihm ihr Leben. Oder doch nicht mehr? Was war es, das sie so fesselte und nun nicht einfach in den Schlaf gleiten ließ, sie verdrängen ließ? Er war nicht kalt gewesen, als er ihr Gesicht ergriffen hatte und sie zwang ihn anzublicken. Was hatte sie alles gesagt? Es war etwas gewesen, was seine Forderung verwerfen sollte. Oder? Oder nicht? Seine Haut war heiß gewesen, der Blick fest und unbeugsam. So bedrohlich und doch so vertraut. Jedenfalls hatte er es geschafft, sie das Blut um sich herum zu vergessen und stattdessen etwas anderes im Vordergrund zu sehen und zu spüren. Und als sie später an diesem Tag bei dem merkwürdigen Priester saß, nachdem sie Zaq und Rabe besucht hatte, hatte sie ihn gehört, so glaubte sie.
Was war es nun, was sie wollte? Wie sollten die nächsten Tage verlaufen? Phre biss in den Saum ihrer provisorischen Decke und drückte ihn auf ihre Lippen um den Schrei, der in ihrem Kopf hallte Einhalt zu gebieten. Am folgenden Tag wollte sie eigentlich das Ziel mit diesen Drogenkeksen dazu bringen ihr willig zu folgen, sie bewusstlos schlagen, verletzen und dann das Brandzeichen setzen. Schon jetzt wurde ihr etwas schlecht bei dem Gedanken daran, wie es wohl riechen würde. Und was sie noch abschreckender fand, war die Tatsache, dass der heutige Tag irgendetwas angestellt hatte mit ihr. Dumpf brannte etwas in ihr, seit die zwei Männer sie gewaltsam nehmen wollten. Seltsamerweise war sie gar nicht auf die Idee gekommen sich zu wandeln. Es war wie, als hätte sich bereits ein Teil verabschiedet gehabt, als die Masse von Schlägen ihren Rücken und die Rippen zu einem Herd der Schmerzen werden ließ. Vielleicht sollte sie Rabe, wenn er wieder in Ordnung war unter vier Augen auf ihre Ausbildung ansprechen. Sie war enttäuscht von sich, dass sie sich nicht alleine hatte wehren können. Sie hatte doch schon schlimmeres überstanden und war verbissen geblieben, doch der Morgen hatte sie geradezu in sich verkriechen lassen. Und genau dies, was sich verkriecht hatte und worüber sie sich schämte, wollte hinaus. Es irgendjemandem zeigen, dass nicht nur dieses verängstigte, gepeinigte Mädchen vorhanden war. Sollte das Ziel mit ebensolchen Schmerzen daliegen, vielleicht würde sie sie nicht bewusstlos schlagen. Ihr Wimmern hören wollen und sich bewusst sein, dass auch sie die Macht haben konnte, dass sich jemand gepeinigt und verängstigt zusammen krümmt. Wieder wurde sie sich bewusst, dass dieser Gedankengang eigentlich falsch war und sie vor sich selbst zurück schreckte, aber nur einen Moment, dann war auch dies vergangen.
Der Mond ließ einen silbrig blauen Schein auf die widerliche Stadt Sturmwind nieder, tauchte alles in weiche Schatten und hätte Phre ein klein wenig beruhigen können, wenn nicht das geliebte Meeresrauschen gefehlt hätte. Bis hier hinten ins Magierviertel drang der einlullende Wellengang leider nicht. Wenn Zoni nun aufgetaucht wäre, hätte sie sich ihm sofort hingegeben nur aus dem Grund diese Gedanken im Kopf und Gefühle in der Brust nicht mehr zu haben. So da liegend und grübelnd, erinnernd und fern ab von gut und böse, schien ihr Dasein auf einen winzigen Flecken in sich selbst zusammen zu schrumpfen, gerade nur eine Hand voll Bewusstsein zurück zu lassen. War es das, was die Seele war? Ihre Arme und Beine fühlten sich merkwürdig schwer und nutzlos an, ja selbst der Kopf schien nicht das Zentrum geworden zu sein, womit sie empfand und dachte. Dieses kleine Fleckchen war zusammen gezogen, erschreckt und doch vor Hitze am emporlodern.
Wie würde der nächste Tag werden? Wie würde sie reagieren, wenn sie diesen Runenkrieger wiedersehen würde? Wie würde sie reagieren, wenn sie Zoni sah? Wie würde sie sich verhalten, wenn der Auftrag zum erfüllenden Punkt angelangt wäre? Soviel Wie’s rasten durch ihre Gedanken, dass sie nur am Rande wahrnahm, was sie eigentlich dachte und fühlte. Alles spielte sich so zeitlupenartig in atemraubend schnellem Tempo zeitgleich ab, sodass nichts und doch alles bewusst gefasst und fallen gelassen wurde, als würde sie glühende Kohlen greifen. Wenn sie blinzelte, bemerkte sie es nicht, denn der Blick war auf innere Angelegenheiten gerichtet und so fiel ihr auch erst auf, dass die Nacht dem Tag geweicht war, als sie die Stadtuhr plötzlich zehn schlagen hörte. Die Gliedmaßen steif und die Schmerzen in Rücken und Rippen schier unerträglich, setzte sie sich kurz auf, drehte sich zur Seite, sah hinab vom Dach und erbrach sich. Sich mit etwas Wasser aus einem Schlauch den Mund auswaschen, trank sie einen Schluck ehe sie sich auf eine Seite drehte und den Rest des Tages verschlief.
Auch tagsüber blieb sie unentdeckt. Einmal erwachte sie, als der Himmel begann für die Nacht seine Gewänder dunkel zu färben und die Laternen entzündet wurden. Mit verklebten Augen und schweren, geradezu nebligen Gedankengängen stellte sie fest, dass sie heute weder bei Zaq, noch Rabe oder sonst wem gewesen war. Ob sich wer Sorgen machte, dass sie weg war? Vielleicht würde sie das morgen erfahren. Noch etwas wurde getrunken und einer der Kekse vom Raben gegessen, die er ihr einmal gegeben hatte. Wie lang sie wohl noch schlafen konnte? Hoffentlich so lange, dass die Schmerzen nachließen. Langsam und vorsichtig tastete sie über ihre Rippen. Unglaubliche Schmerzen waren es. Sie wollte die Verfärbung gar nicht erst sehen. Irgendwo würde sie, nachdem sie wieder wach war schon Schmerzmittel auftreiben. Dann würde halt der Auftrag noch einen oder zwei Tage warten müssen. Gnadenfrist oder wie es hieß. Den Mantel über das Gesicht ziehend, versucht sie eine Position zum Schlafen zu finden und wurde auch recht bald übermannt und in die selige Dunkelheit gezogen.
So war ein Tag vollends verschlafen und hinterließ am nächsten Morgen ein dumpfes Pochen im Kopf als sie wie gewohnt mit dem Sonnenaufgang wach wurde. Die Schmerzen hatten sich nicht wirklich verbessert und ein leicht blutiger Geschmack lag auf ihrer Zunge. Würde sie so runter zu Rabe und Zaq gehen, würde es sofort jemand bemerken. Vorgestern hatte sie es ja irgendwie geschafft die Schmerzen zu ignorieren, sie mit eiserner Selbstbeherrschung zu überspielen. Doch heute fühlte sie sich einfach nur wie ausgekotzt, zertreten und von Felsbrocken erschlagen. So konnte sie unmöglich jemanden zusammen schlagen. Nun doch etwas neugierig geworden hob sie ihr Oberteil bis unter den Brustansatz hoch. „Heilige…!“, presste sie rau zwischen den Zähnen hindurch. Der rechte Rippenbogen war dunkelblau verfärbt und etwas geschwollen. Vorsichtig berührte sie mit den Fingern eben jene Rippen und zuckte zusammen. „Ach Dreck…“, murmelte sie angefressen und voll Schmerz. Wohl waren die Schläge so heftig gewesen, dass ihre Rippen länger was von haben würden. Das Oberteil wieder runterziehend und sich daran machend vielleicht doch einmal vom Dach zu kommen blickte sie zweifelnd hinunter. Ob sie es schaffen würde mit diesen angeknacksten Rippen runter zu klettern? „…ausprobieren.“, gab sie sich selbst die verkniffene Antwort und machte sich daran hinab zu kommen. Einige Male musste Phre die Zähne zusammen beißen, da sie drohte den Halt zu verlieren. Schnaufend kam die junge Frau unten an und zog sogleich die Kapuze ihres Umhanges über die Haare.
Egal was vor ein paar Tagen gewesen war, jetzt hieß es erst mal eine warme Wanne finden. Das Gasthaus im Handelsviertel von Sturmwind war gut ausgestattet, da hier einige Händler abstiegen und diese natürlich auch einen gewissen Komfort wollten. So machte Phre sich also mit zusammen gepressten Lippen und einem etwas blassen Gesicht auf dem Weg dorthin. Der Gastwirtin mit verständlich machend, dass sie nur ein warmes Bad wollte und weder etwas mitgehen lassen würde noch sonst was, drückte sie dieser ein paar Münzen in die Hand und wurde sogleich in eine höhere Etage gebracht, wo eine große Messingwanne stand. Ein Kamin war im Raum auf dessen Feuer bereits ein großer Kessel stand, der das Wasser für ihr Bad erwärmte. Kräuter wurde ausgesucht und ein Schemel bereit gestellt, wo sie ihre Sachen drauf legen konnte. Eigentlich gehörte dieses Badezimmer zu einem größeren, mietbaren Zimmer. Zum Glück war es leer und nicht besetzt, denn so konnte sie hier wohl ein bisschen im warmen Wasser liegen bleiben und es sich gut gehen lassen. Sobald das Badewasser fertig war, tat sie auch genau dies. So mochte wohl eine Stunde oder maximal zwei vergehen, bevor die Gastwirtin an der Tür klopfte und fragte ob das junge Fräulein wohl zum Ende kommen würde, da sie die Wanne auch wieder säubern müsste und das Zimmer nun auch bald vermieten wollte. Warm, ein klein wenig entspannter aber immer noch mit Schmerzen stieg sie aus der Wanne, trocknete sich und zog sich an. Was sollte sie nur machen? Einen Tag war sie nun schon vom Hafen weg geblieben und doch wollte sie noch nicht wieder zurück. Was waren schon zwei Tage? Sie wollte eigentlich gar keinem Begegnen, der sie kannte und so fasste sie den Entschluss den Tag in der Nähe von Olivias Teich zu verbringen. Etwas zum Essen und einen neuen Wasserschlauch kaufend machte sie sich daran über Ecken und ungewohnte Routen durchs Zwergenviertel zu kommen und sich einen Hügel zu suchen, auf dem man es sich einigermaßen bequem machen konnte. Kaum sich irgendwie niederlassend und die bereits zum Mittag stehende Sonne ins Gesicht scheinen lassend, kam ihr der Gedanke ein wenig zu meditieren. So würde die Zeit auch schnell herum gehen. Und ein wenig an nichts denken und weiter entspannen, die Schmerzen ausblenden, wäre doch eine gute Idee.
Und so verbrachte die Kurze einen weiteren Tag fernab von ihren gewohnten Orten und den Leuten, denen sie keine Sorge durch ihren Zustand bereiten wollte. Sie meditierte, aß, trank und versuchte ein wenig zu trainieren. Sie lief die Hügel rauf und runter, bis sie das Gefühl hatte vor brennenden Lungen und schmerzenden Rippen weinen zu müssen. Der Tag wurde somit auch recht schnell herum gebracht, sodass sie abends erschöpft und immer noch gepeinigt schlafen gehen konnte.

Zuletzt bearbeitet am: 09.03.2012 20:50 Uhr.