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Die Spinne an der Wand

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Veröffentlich am: 20.07.2019, 12:42 Uhr
Anzo Flint ließ das mit Silberfäden durchwirkte Öltuch über die zweite Klinge seines siebzehnten Wurfsterns gleiten. Ein Vorgang, der die Schneide gleichzeitig reinigte, pflegte und schärfte. Die Bewegung war absolut präzise und so routiniert, als wären sowohl Tuch als auch Waffe nur weitere Teile seines eigenen Körpers und als würde er sich beiläufig hinterm Ohr kratzen.

Dabei hockte er nun schon seit dreizehn Stunden hier oben im Gebälk, an einer Stelle zwischen Wand und Decke, in der die Schatten so tief waren, dass er auch bei direktem Blickkontakt kaum zu entdecken gewesen wäre. Die dunkelgrau mellierte Kleidung, die er trug, war mit Lederbändern eng an seinen Körper gebunden. So hatte er absolute Bewegungsfreiheit und blieb niemals irgendwo hängen. Viele seiner Berufskollegen trugen schwarz. Manche sogar schwarze Seide. Davon hielt Anzo nicht das Geringste. Sein Kampfanzug bestand aus einem weichen Wollfilz, der kein Geräusch machte, wenn er sich bewegte und jedes bisschen Licht so zuverlässig schluckte, dass er mit nahezu jedem Schatten verschmelzen konnte. Hier oben war er praktisch unsichtbar.

Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung drehte er den Stern und fuhr über die dritte Klinge. Fünf waren es insgesamt und während er fortfuhr, zu polieren und zu schärfen, beobachtete er. Und er zählte die Krieger noch einmal, die unter ihm im Raum ihr Kampftraining absolvierten und nichts ahnten, von der kleinen, grauen Spinne unter ihrem Dach.

Zuletzt bearbeitet am: 20.07.2019 13:08 Uhr.