Veira

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Auftakt
Dinge, die geschehen, wenn man noch jung ist, bleiben.
Vielleicht nicht in der Erinnerung, nicht bewusst im Kopf, aber irgendwie hinter einer Narbe im Herzen oder einer verschlossenen Tür der Seele lebt alles weiter.
Aus einem Erlebnis formt sich eine Facette und aus Facetten entwachsen Eigenheiten, eine Persönlichkeit, die sich zusammenfügt zu einer Einheit, die Hand in Hand geht mit Ansichten, Denken und Emotion. Zumindest sollte es so sein. Doch wenn dies nicht passiert, wenn diese Facetten es nicht schaffen der Einheit des Seins ein starkes Gerüst zu geben, dann passiert etwas anderes. Dann entsteht ein Spalt zwischen dem, was man außen sieht, was erwartet wird und dem, was innen hinter einer Tür existiert. Manchmal sieht man es selbst nicht, manchmal hält man diese Tür mit Gewalt zu und verschließt jede Ritze mit einer wulstigen Narbe, auf dass der Schmerz drinnen bleibt und dem Schlagen des Taktes entfernt wird.
Kindheit und Jugend
Wir würden gern glauben, dass sich jedes Wesen individuell entwickelt und etwas vollkommen eigenes ist und doch, verkennen wir, dass alles, was lebt auch immer mit den Dingen lebt, die ihm gelehrt werden, die Tag für Tag um einen sind und so wird das Fremde zu einer eigenen Facette. Mit nur wenigen Fragen kann man oft schon wissen, welchem Volk ein Wesen angehört und dies nur, weil es unter diesem Volk aufwuchs. Doch manche, haben kein eigenen Volk, wachsen nicht mit nur einer Kultur auf.
Lousanne wuchs nicht so auf.
Es war ein kleines Wunder als sie geboren wurde. Nicht ihre Geburt an sich, eher, dass es sie überhaupt gab. Ihre Großeltern auf beiden Seiten waren gegen die Liebe ihrer Eltern und selbst ihr Vater zweifelte oft und doch, gab es sie. Es schien als wolle irgendetwas Höheres, dass sie entsteht und lange Zeit, war für das kleine Mädchen es schön, doch nichts weiter außergewöhnliches, wenn ihr Vater sagte, dass sie etwas besonderes sei.
Doch irgendwann, wird einem klar, was dahinter steckt, welch zwei Seiten es hat etwas Besonderes zu sein.
Lousanne spürte es am ersten Tag im Turm in Dalaran als sie mit ein paar anderen Kindern zu Meister Aschewind kam, der sie lehren sollte. Schon vorher hatten ihre Eltern ihr Talent gespürt und auch sie sollte hier endlich lernen, was das war, was in ihr dahin floss wie Herbstblätter im Wind.
Ihr Vater brachte sie hier und sie traf auf die anderen Kinder, die die nächsten Jahre ihre Kameraden sein sollten. Menschen und Hochelfen, alle um die 7 Jahre alt, genau wie sie. Doch kaum waren die Eltern fort und die Kinder saßen draußen im Rasen zur Pause nach der Führung, fing es an.
Auf der einen Seite saßen die Menschen und schnatterten, rangen zum Spass miteinander und beachteten das kleine goldblonde Mädchen ebenso wenig wie die anderen Elfenkinder, die etwas abseits vom Rasen saßen und sich gegenseitig etwas vorsangen.
Schließlich kam einer der Elfen zur ihr, sie lächelte scheu und er zog ihr am Ohr und lachte sie aus. Es tat weh. Und es war nur der Anfang.
Man sagt, dass Kinder grausam sein können und gerade sie sollte merken, wie wahr es war.
Die Kinder der Menschen gingen bald dazu über eifersüchtig zu sein, weil sie begabter war als sie, schneller lernte und einfach hübsch war. Die Kinder der Elfen hingegen, fanden sie plump und insgeheim, waren auch sie eifersüchtig, dass sie so schnell lernte und bald Einzelunterricht zum normalen Stoff bekam. Aber niemals würde sie es zugeben und so strafte man sie mit Spötteleien.
Jeden Abend ging sie allein nach Hause, lernte und verbrachte die Abende allein. Jede Pause blieb sie in der Lehrstube und las allein. Nur ihr Vater blieb ihr, denn ihre Mutter verstarb lange bevor sie oder ihr Vater als alt galten.
Es wurde Alltag, sie redete sich ein, dass sie die anderen mied und nicht umgekehrt, auch wenn man sie manchmal spüren ließ, dass sie sich selbst belog und jedes dieser Male hinterließ eine Narbe auf ihrer zarten Seele.
Als man sie auslachte, weil sie einen Zauber zu groß werden ließ, als man ihr an den Ohren zog, wenn sie einen Zopf trug und ihren Platz mit Müll eindeckte oder ihr gezauberte Eisklumpen in das lange Haar wob. Und wenn sie dann weinte, dann lachte man sie nur noch mehr aus, nannte sie Bastard und Menschentochter, schimpfe sie eine Hexe oder warf Papierschnipsel nach ihr.
Der Höhepunkt wurde erreicht als ihr ein besonders gemeiner Elf bei einer Übung mit voller Absicht die Kleider anzündete. Es war pures Glück, dass sie sich dabei lediglich die Fingerkuppen versengte als sie sich selbst löschte und nicht mehr geschehen war.
Ihr Vater setzte zwar viel daran, dass es ihr gut geht, aber er konnte ihr da auch kaum helfen und sie wollte nicht noch mehr ertragen müssen, wenn er der Klasse etwas gesagt hätte, aus diesem Grund verriet sie auch dem Lehrmeister nichts. Doch wahrscheinlich spürte er, wie es ihr ging, wie nah es ihr ging.
Irgendwann kam endlich der Tag des Abschlusses. Alle waren in der großen Halle versammelt und man konnte ihrem Vater ansehen, wie stolz er auf seine Tochter war, die nicht nur als Beste des Jahrgangs abgeschlossen hatte, sondern sogar mit Auszeichnung verabschiedet wurde. Und trotzdem wurde die Freude mit einem schweren weiteren Stich getrübt, als nicht einer aus ihrer Klasse ihr gratulierte oder auch nur der Höflichkeit wegen applaudierte. Hinzu kam, dass sie die Einzige war, die später nur mit ihrem Vater tanzte und keinen Partner hatte.
Im Gegensatz zu allen anderen empfand sie es als Erleichterung sich nun Magistrix nennen zu dürfen und fort gehen zu können, nicht einen würde sie vermissen oder gar eine Träne nachweinen.
Sie verließen die Feier bald und als sie langsam nach Hause schritten folgte ihnen ihr Lehrmeister bis nach Hause und trotz der späten Stunde ließ ihr Vater ihn noch hinein. Dieser Abend sollte zum ersten Mal Lousannes Leben verändern.
Alle lieben Nurini!
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Veira

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Eine zweite Lehre
Am nächsten Morgen, nach einem langen Gespräch zwischen dem Meister, ihrem Vater und ihr, reiste sie ab und verließ zum ersten Mal Dalaran. Die Verabschiedung von ihrem Vater war herzlich, wenn auch nicht zu sentimental. Beide wussten, dass dieser Tag irgendwann kommen würde und er war sich sicher, dass es der richtige Zeitpunkt seine Tochter gehen zu lassen. Doch kaum war sie durch das Portal geschritten, rann ihm eine Träne zu Boden und auch ihn hielt nichts mehr hier, er packte seine Sachen und machte sich selbst auf einen ungewissen Weg.
Lousanne und Aschewind landeten fernab ihrer bekannten Umgebung am Rande Shattraths. Sie mochte die Stadt trotz des Elends im unteren Viertel, sie hatte das Gefühl, dass man hier nicht auf sie achtete und sie endlich doch nur eine von vielen war. Sie mieteten sich in der Taverne der Seher ein, bei denen Aschewind wohl schon bekannt war. Sie bekamen ein großes Zimmer mit zwei Betten, die von Tuchen abgetrennt wurden. Es war schlicht, aber hübsch. Sie hatten Platz und sie genoss die Zeit sehr. Es fühlte sich frei an, unbeschwert und frisch. Aschewind brachte ihr etwas bei, von dem sie wusste, dass er es gut meinte und dass es nur sehr wenige beherrschten. Er war ein wundervoller Lehrer, das hatte sie schon immer gefunden, doch hier erfüllte sie es mit einer neuen Wärme. Eine Begeisterung entwuchs ihr und auch hier bewies sie Talent.
Nach nur zwei Jahren erfreut sie sich daran sich einen Spass zu machen und in immer neuer Gestalt durch die Straßen zu wandeln, die Reaktionen zu beobachten, die sie erzeugte und keine Woch vergaß sie ihrem Vater zu schreiben und auch er schrieb ihr jede Woche zurück. Das Leben konnte doch gut sein.
Aschewind brachte ihr das Wandeln bei, doch natürlich mit dem Schwur es besonnen einzusetzen und vor allem niemals zu sagen, woher sie es kann, sollte man es bemerken. Vielleicht hätte es ihr früher auffallen sollen oder als er begann sich jede Nacht hinaus zu schleichen, doch sie wagte nicht an ihrem Gönner zu zweifeln.
Schließlich vertraute sie ihm. Er hatte sie aus Dalaran geholt, ihr alles beigebracht, was sie konnte und sie sogar in das Geheimnis des Gestaltwandelns eingeweiht. Sie fand keinen Grund zu zweifeln. Es war keine Liebe oder dergleichen, was sie emfpand, aber Vertrauen, Bewunderung und Dankbarkeit. Doch nach diesen zwei Jahren sollte sie lernen, dass selbst Aschewind eine zweite Seite hatte.
Sie lag im Bett und legte gerade das Buch auf den Nachttisch als man klopfte und mit fester Stimme verlangte, dass sie die Tür öffnete. Ihr erster Gedanke war, dass Aschewind etwas zugestoßen sein könnte und so warf sie einen Morgenrock über und öffnete geschwind die Türe. Dahinter fanden sich gleich vier Wachleute der Seher und bei ihnen war er. Sie stellten keine Fragen, sie gaben ihr keine Antwort und selbst ihr geschätzter Lehrer sprach kein Wort mit ihr und sah sie nur wehmütig an. Vielleicht auch ein wenig reumütig. Sie war sich da nicht mehr sicher.
Man brachte sie noch unter das untere Viertel. Die Verwirrung war zu groß und solange Aschewind noch bei ihr war, dachte sie nicht daran zu zaubern, noch glaubte sie, dass es einen Grund für all das geben würde. In dieser Nacht lernte sie, dass nicht nur die, die es offen sagten sie verraten würden, sondern auch die, die vorgaben sie für etwas Besonderes zu halten.
Unterhalb der Stadt fand sie sich wieder in einer Art Beutehöhle, die kleine Ausbuchtung hätte sie niemals einfach so bemerkt, doch dahinter waren die Wände mit Regalen bedeckt auf denen sich Schmuck, wertvolle alte Bücher und allerlei Tamtam befanden. Diebesgut, wie man ihr endlich sagte. Woher sie das alles hätte, was ihr einfallen würde, wie sie es wagen konnte das Gestaltwandeln anzuwenden und das Vertrauen der Seher, die sie aufgenommen hatten zu missbrauchen. Lousanne verstand nicht. Sie hatte nichts gestohlen, in ihrem ganzen Leben hatte sie niemals etwas gestohlen.
Aschewind trat auf sie zu und umarmte sie, doch es fühlte sich falsch an, kalt, er küsste sie und ihr wurde unendlich schlecht.
Schließlich ließen ihre Beine nach als er mit einer Trauer, von der sie wusste, dass sie gelogen war, sagte, dass es ihm leid täte und er viel eher hätte bemerkten müssen, dass sie ihn nur benutzt habe. Er sprach davon, dass sie ihn verführt hätte, er sie geliebt hätte und wie weh es tun würde zu sehen, dass sie ihm nur etwas vorgemacht hätte. Sie wollte es einfach nicht fassen, dass sie ihm glaubten, dass er das alles schon lange geplant hatte.
Dieser Schnitt war weit tiefer als alles, was man ihr vorher angetan hatte. Drei Jahre lang saß sie in der magischen Zelle als Strafe für ihre angeblichen Diebstähle. Aschewind hatte sich aus dem Staub gemacht und ihre anfängliche Rachsucht verpuffte mit der Zeit. Sie sah Mörder, Diebe und anderen Abschaum, den man hier wegschloss. Sah andere Schicksale. Und vor allem sah sie Betrug an vielen Ecken. Leute, die für Kleinigkeit andere verrieten. Liebe, die benutzt wurde. Wesen, die mit Gefühlen spielten und denen in ihrer Umgebung seelische Wunden einbrannten und sie lernte, dass all das nur einem diente, Selbstsucht.
Nach den drei Jahren ließ man sie frei, sie besaß nur noch die Kleider, die sie getragen hatte als man sie einsperrte und die fünf Gold, die jeder bekam, wenn er entlassen wurde. Sie kaufte dafür Reagenz und ein einfaches Kleid und verschwand so schnell sie konnte aus dieser Stadt. Sie tat es ihrem Vater gleich und bereiste die Welt, als Mensch, als Trollin, als Elfe. Sie setzte das, was sie konnte bewusst ein und schwor sich niemals ein Geheimnis aus dem zu machen, was sie wahr. Doch schwor sie sich auch, niemals auch nur ein Wort über das zu sprechen, was sie in der Zeit im Gefängnis erlebt hatte. Nicht einmal ihrem Vater, von dem sie wusste, dass es er langsam an den Folgen des Alters begann zu leiden.
Er war der Einzige, auf den sie sich immer hatte verlassen können und sie brachte es nicht über das Herz ihm weh zu tun.
So reiste sie, doch Freundschaft schloß sie nirgends. Keiner Seele schaffte sie es zu Vertrauen, egal wie sehr sie es versuchte. Zu groß war die Angst wieder verletzt zu werden. Und doch sehnte sie sich zurück zu der Zeit, in der Aschewind und sie die Tage in Shattraht verbracht hatte. Trotz dem, was er getan hatte, denn es waren glückliche Tage gewesen und sie wünschte sie sich zurück.
Es wurde Zeit, ein neues Kapitel zu beginnen. Etwas zu tun, nur was, das wusste sie nicht. Noch nicht.
Alle lieben Nurini!
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Veira

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Eine Magistrix und das Meer
Besondern mochte sie die Reisen per Schiff. Der Wind in ihrem Haar, das Salz auf ihrer Haut und das Gefühl von Unendlichkeit, wenn man zum Horizont sah und dort nichts war außer mehr Wasser, mehr Meer.
Schließlich verpasste sie knapp ihr Schiff als sie in Beutebucht einkaufen gewesen war. Natürlich hätte sie ihre Reise mit einem kleinen Zauber und einem Spaziergang durch den Nether verkürzen können, aber sie hatte sich darauf gefreut den Seeweg zwischen der Goblinstadt und Ratchet kennen zu lernen. Doch es lag nur ein weiteres Schiff im Hafen, kurzer Hand betrat sie es und wollte fragen, wohin es segeln würde und ob man sie mitnehmen könnte.
Überraschender Weise wurde sie sehr zuvorkommend und freundlich begrüßt als sie die Planke hochging. Ein junger Mann in sauberer Kleidung und mit einem herzlichen Lächeln half ihr dabei und brachte sie wie er sagte sehr gern zur Kapitänin.
Ein wenig seltsam kam ihr das Schiff schon vor, denn die Matrosen waren allesamt auf ihre wohl recht attraktiv für ihr Volk und es fanden sich Frauen wie auch Männer unter ihnen und nicht nur Menschen, Orkinnen, eine Trolline und Elfen liefen umher und jeder von ihnen schenkte ihr ein offenes Lächeln.
Die Kapitänin war eine schöne Frau, bereits ein wenig in die Jahre gekommen, aber sie hatte eine herzliche Art an sich, die Lousanne gleich einnahm.
Zu Anfang der Reise, wusste Lousanne nicht recht, was sie davon halten sollte. Die Kapitänin hätte nämlich keinen Hehl daraus gemacht, dass ihr Schiff ein segelndes Freudenhaus war und auch keiner ihrer Angestellten machte daraus ein Geheimnis, eher im Gegenteil, sie schienen ihr Leben in der Tat zu mögen, pflegten einen freundschaftlichen Umgang und alles ging Hand in Hand. Nach nur wenigen Wochen begann sie sich wohl zu fühlen und es störte sie nicht einmal, dass sie alle nur Sanna nannten. Denn Lousanne fand die Kapitänin einfach zu lang und zu gestochen, so wurde sie von ihr bereits als Sanna vorgestellt.
Sie fügte sich bald ein, diese Leute hier waren so ganz anders als all die anderen, die sie kennen gelernt hatte. Man kümmerte sich um einander, hörte dem anderen zu und wenn man Interesse schenkte, dann war es ehrlich. Das familiäre Gefühl schwappte von der Mannschaft bald auf sie über ohne, dass sie es wirklich mitbekommen hätte und einer von ihnen wurde wirklich so etwas wie ein Freund. Er war ein Elf, wirklich gutaussehend mit einem dauerhaft schelmischem Lächeln in den strahlenden Augen. Es machte ihr nichts aus, dass er Frauen wie auch Männer bediente und sie lachte viel mit ihm, hatte er doch ähnliches erlebt wie sie.
Selbst als er ging nach dem er mit ihr geschlafen hatte, spürte sie kein Gefühl der Angst oder Verletztheit. Es war klar gewesen. Obwohl dieses Geschäft in den Augen vieler dreckig war und unanständig, so war es doch eines: Es war ehrlich. Man wusste genau, dass es ein Geschäft war. Worum es ging, es gab keinen Grund für Intrigen oder Lügen, es war klar und eindeutig. Wahrscheinlich war es das, was ihr daran gefiel. Nein, sie hatte nicht für den Sex bezahlt, aber es war auch keine Liebe. In ihrem Fall, war es ein Freundschaftsdienst und am nächsten Morgen, war zwischen ihnen alles genau wie vorher, nur dass sie nun auch einmal erlebt hatte, was man seinem Körper Gutes tun konnte.
Und schließlich als sie den Zielhafen nach Monaten und vielen Umwegen erreicht hatten und sie mit gepacktem Koffer an der Reeling stand, da wusste sie es. Sie konnte nicht gehen. Sie hatte ihr ein zu Hause gefunden. Sie hatte Wesen gefunden, die sich nicht um ihre Vergangenheit scherten, die sich nicht für ihre Ohren interessierten und sie nicht verurteilten. Sie war glücklich. Nach Jahren war sie glücklich, nach Jahren waren die Gemeinheiten, die Prügel und die scharfen Worte weit weg, sie waren tief vergraben worden. Natürlich, belog sie sich selbst, doch die Illusion dieses Glückes kehrte alles weit weg, hinter die Tür in ihrem Inneren, die von den Narben verschlossen wurde.
Weitere Jahre vergingen, in denen sie einfach nur lebte. Auf dem Schiff lebte und den Luxus genoss, den sich nur wenige in diesem Gewerbe leisten konnten und suchte sich ihre Kunden aus. Sie überließ ihnen die Gestalt, doch das änderte nichts daran, dass sie froh war, genau zu wissen, worum es ging, dass sie sicher sein konnte, dass nichts anderes sie überraschen unde überrollen würde. Und selbst, wenn jemand sie zu etwas hätte zwingen wollen, war sie sich ihrer Macht sehr wohl bewusst. Das Meer wurde ihre Heimat und die Besuche bei ihrem Vater wurden Urlaub und auch wenn er sich ein anderes Leben für seine Tochter vorgestellt hatte, er vertraute ihr und dieses Vertrauen war es, was sie stärkte.
Einen Abend rief sie die Kapitänin zu sich, sie war alt geworden und hatte sich einiges erspart, um sie ein kleines Häuschen im Rotkamm leisten zu können für ihren Lebensabend. Sie und die Mannschaft hatten während sie bei ihrem Vater war beschlossen, dass man ihr das Schiff vermachen wollte. Sie war für einen Moment überwältigt und schwor ihrer Chefin, eine würdige Nachfolgerin zu sein.
Bald übernahm sie fast nur noch organisatorische Aufgaben, kümmerte sich um Routen, Lebensmittel und die Sachen, die ihre Mannschaft benötigte zu besorgen. Kundschaft hatte sie kaum noch. Genau genommen konnte sie sie an einer Hand abzählen. Da war Mala, selbst Kapitän eines Schiffes und ein gern gesehener Gast. Die Feiern der beiden Mannschaften hatten schon einen legendären Status auf ihre Art und Sanna konnte nicht abstreiten, dass Mala ein wirklich gutaussehender Mann war. Dann der Kommandant der Soldaten im Brachland. Ein Mensch, trainiert und mit harter Schaale. Manchmal fragte sie sich, was seine Leute sagten würden, wüssten sie, dass er Sanna dafür bezahlte, dass sie ihn kraulte und den Rücken streichelte und ihm zu hörte, wie er erzählte wie schwer es wäre immer steinhart zu sein, wenn man von so vielen schönen Männern umgeben war. Ähnlich war es bei dem Bürgermeister einer kleinen Stadt in Hafennähe, der sie nur im Arm halten wollte, um sich der Illusion hingeben zu können, dass er eine Tochter hätte. Überhaupt, verlor es nie an Faszination, dass soviele Leute, vor allem Männer nur dafür zahlten, dass man ihnen zuhörte. Doch das alles half ihr nicht darüber hinweg, dass sich eine Leere in ihr ausbreitete, die mehr brauchte als das.
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Veira

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Sehnsucht
Bald fühlte sie, wie die Narben weicher wurden und ein Teil ihres Herzens erwachte, den sie bislang zur Vorsicht mit eingeschlossen hatte. Sie veränderte sich, spürte, dass sich mehr und mehr zwei Schläge in ihrer Seele bildeten.
Auf der einen Seite war Sanna, sie konnte es ihren Leuten nicht antun, sie zu enttäuschen. Zu oft war sie selbst enttäuscht worden und sie beschloss ihnen so lange weiter die Sanna zu geben, die sie kannten bis sie finden würde, was sie brauchte.
Das Gute daran war vielleicht, dass sie ehrlicher gegenüber sich selbst wurde, sich selbst kennenlernte. Das Schlechte daran jedoch war, dass die alte Angst heftiger denn je in ihr aufkam und verhinderte völlig offen zu sein. Die einsamen Nächte, über die so lange froh gewesen war, wurden kalt. Die Feiern und bewundernden Blicke wurden alltäglich und falsch. Noch immer war sie glücklich damit genau zu wissen, worauf sie sich mit den Kunden einließ und sie war was das anging ganz Geschäftsfrau, doch kam ein weiteres Wissen dazu, was sie nicht länger unterdrücken konnte. Das Wissen, dass es nicht um sie ging, sondern nur um ihren Körper, darum ein Schauspiel zu bekommen. Es tat nicht in dem Sinne weh, aber es machte einsam und leer.
Die Leere wurde immer größer, bis sie jede andere Regung überspülte wie das Meer den Sand fort trug. In manchen Nächten saß sie nur stundenland an ihrem Schreibtisch und starrte auf ein leeres Papier. Leere, da war nichts und niemand. Da war keine echte Regung mehr, kein Genuss und keine Freude. Keine Angst und keine Spannung. Immer öfter zog es sie an Land, natürlich immer geschäftlich. Zumindest sagte sie das und manchmal war das sogar die Wahrheit.
Eines Tages spazierte sie durch Sturmwind, die Stadt der Menschen. Eine Festung und ein kulturelles Durcheinander, wie sie es selten sah. Im Gegensatz zu Shattrath oder Dalaran, lebte man hier. Vom Adelsmann über Händler und einfache Bauern bis zu Dieben und Trunkenbolden teilte sich hier alles die Straßen. Sie stand schließlich am Fenster eines Ladens und schaute sich die Auslage an als sich ein Gespräch hörte zwischen einer Wache und einem Mann, der die Sprache nicht sonderlich gut beherrschte. Und dann...dann murmelte er etwas auf einer Sprache, die sie lange nicht gehört hatte, die sich jedoch immernoch regelmäßig laß. Hochelfisch, es war Wohltat für ihre Ohren. Ihr Blick traf die Männer und sie sah nun auch wie der Mann der Wache versuchte zu erklären, dass er den Eremiten suchte. Er gefiel ihr, er wirkte auf eine Art schlicht, aber nicht dumm oder dergleichen, sondern...das Wort brauchte eine ganze Weile bis es ihr durch den Kopf schoss, doch schließlich fand sie es: Bodenständig. Ja, der Mann wirkte bodenständig. Nach dem er sich seufzend von der Wache verabschiedete und sich umsah, sprach sie ihn an. Verwundert und überrascht zugleich hier jemanden anzutreffen, der seine Muttersprache sprach schenkte er ihr ein kleines Lächeln. Es war weder übertrieben, noch der Höflichkeit entsprungen, sondern einfach nur da.
Dankbar unterhielt er sich ein wenig mit ihr und sie brachte ihn zum Gasthaus, nach dem er gefragt hatte.
Als Dank lud er sie zum Abendessen ein.
Vielleicht war es seine Art, vielleicht sein Aussehen und die ruhige Stimme oder die besonnene Ausstrahlung, die ihn irgendwie umgab, vielleicht war es auch die schlichte Tatsache, dass er sie respektvoll und freundlich behandelte, obwohl er ein Hochelf war und noch nicht einmal ein Kunde, aber als sie nach dem Essen durch die nächtlichen Straßen ging, da wusste die Leere, warum sie existierte.
So klar und deutlich war es ihr bisher nie bewusst gewesen, doch das war es, was ihr fehlte. Nähe. Das, was ihren Vater und ihre Mutter noch heute über ihren Tod hinaus verband, Nähe.
Ihr Herz zog sich zusammen und sie spürte in ihrem Körper und in ihrer Seele zu gleichen Teilen, wie Angst und Sehnsucht dicht aneinander schlugen. Sie schluckte schwer und trotz der milden Nacht, zog sie ihren Umhang eng um sich und eilte durch die Gassen zum Hafen. Sie hatte das Gefühl als würde ihr Herz bald einfach zerspringen.
Sie schrie. Sie schrie so laut, dass sie die Möwen aufschreckte und manch ein betrunkener Hafenarbeiter sich verwundert nach der weiblichen Gestalt umsah. Sie störte sich nicht daran. Sie schrie und es tat aufrichtig gut. Doch eines blieb und wie verschieden sie auch sein mochten, ein jedes Volk hatte das gleiche Wort für das, was sich einfraß: Sehnsucht.
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