Schwarze Segel
PrologVor langer Zeit, als die Königreiche der Menschen noch jung waren, Kultur und Wohlstand der Menschen genau so wuchsen wie Armut und Elend gab es eine Stadt an der Küste des Arathihochlandes, die von allem ein wenig besaß.
An den schroffen Klippen der Steilküsten peitschten die Wellen des wilden Meeres gischtschäumend. Wehte der Wind aus dem Norden, brachte er eisige und trockene Kälte. Wehte der Wind aus dem Süden wurden vom Wasser schwangere Wolken über das Land getragen, die ihre Fracht über die Ebenen ergossen. In jener Stadt, dessen Namen vergessen wurde lebten einige tausend Seelen. Graue Mauern aus felsigem Stein boten geringen Schutz vor Angriffen der Trolle, die nach wie vor die Lande durchstreiften und die Menschen bedrohten. Die hohen Mauern waren schon damals zerfallen und faulig, als wären sie von Würmen durchbohrt. In Mitten der Stadt erhob sich ein weißes Gemäuer mit einem Turm, in dem morgens und abends Glocken läuteten. Ein kleiner Tempel des Lichts war es, umgeben von modernen und edlen Steinhäusern. Das Innere der Kirche war gefüllt mit feinen Statuetten, Symbolen und einem prachtvoll mit Gold und Silber geschmückten Altar. Der Reichtum des göttlichen Segens der vom Licht geschenkt wurde, sollte auch weltlich zu sehen sein.
Doch kaum verließ man die noblen Gassen um das Standzentrum, da fand man sich in einer anderen Welt. Es war eine Welt geprägt von Schmutz, Hunger, Kälte und Krankheit. Die einfachen Bürger hatten nicht viel um zu leben, oft nur die Hoffnung nach ihrem Tod in ein Himmelreich empfangen zu werden. Trotz harter Arbeit in Schmieden, auf den Feldern und in Fischerbooten wurden sie selten vom Leben belohnt. Und unter den armen Menschen waren Kinder, die in allem das Gute sahen und schlechte Dinge tun mussten um ihr junges Dasein zu verlängern. Diebstahl war begehrt bei den kleinen Buben und Damen und erwischte man sie, wurde mit gleicher Liebe auf sie eingedroschen bis nicht selten kleine Diebe zu Tode kamen. Es war eine schwere Zeit für jene die nicht das Glück hatten bare Münze in den Geldkatzen zu tragen.
In ihrer Not wandten sich die Menschen dem Glauben ans Licht zu. Doch als den Priestern der Kirche einfaches Gesindel zu wieder war, die Unreinheit und Schmutz in den vollendeten Hallen nicht duldeten und sich von ihnen abwandten, suchten die Menschen immer öfter Hilfe im Verbotenen. Der Glaube an das Licht war nur den Reichen vorbehalten, hieß es immer öfter auf den Straßen.
Der Glaube der Reichen
Bald bekam die Diözese einen neuen Bischof, der aus dem fernen Strom herreiste, um seinen verstorbenen Vorgänger abzulösen. Er war ein frommer Mann, geprägt vom Glauben, Mitgefühl und Nächstenliebe. Sein Herz wog schwer als sich ihm offenbarte was in dieser Stadt vor sich ging. Reich waren das Land und die Kirche, doch die Menschen waren es nicht. Die wenigen die etwas besaßen hatten genug für alle und teilten es nicht, und wenn doch, dann einem Glauben der niemanden ernähren konnte. Mit dem Willen Gutes zu tun trat der neue Bischof, dessen Namen nicht überliefert ist, sein Amt an. Doch sein Wille wurde arg gebremst durch die Missgunst und Angewohnheiten der eingesessenen Priester der Geschwisterschaft. Trotz seines Amtes konnte der Bischof wenig tun um das Schicksal der Menschen vor der Kirche zu ändern. Bequem waren sie geworden die Priester des Lichts, verwöhnt von den angenehmen Seiten des Lebens und suchten nicht diese Annehmlichkeiten zu missen um das Gewissen zu besänftigen.
Doch um der Kinder Willen gab der Bischof nicht auf. Er verteilte altes Brot und angestochenes Obst an jene die selbst für Knochen dankbar waren. Er stibitzte Äpfel und Käse von seinem Speiseteller und versteckte sie unter seinem Rock, wenn die anderen Geschwister mal nicht hinsahen. Er gab sich gefräßig und nahm doch immer mehr ab, bis er selbst ein schlanker und ausgezehrter Mann wurde. Seine Geschwister warteten nur auf den Tag an dem er verhungern würde und einer von ihnen das Bischofsamt bekleiden würde um alles viel besser machen zu können als es der fromme Bischof tat.
In kalten Wintermonaten, in denen der Schnee in Stunden schlafende Menschen unter seinem weißen Mantel begrub, holte der Bischof die Kinder und Alten in die zugige Kirche. Er opferte Kerzen, sie boten Licht und Wärme. Er stahl Filzdecken aus den Unterkünften der Geschwister und bettete die kleinsten warm. Bald kamen auch Erwachsene und suchten Geborgenheit. Nur die Ärmsten, vom Schicksal gezeichnete, Alte und Kranke, Schwache und Schwangere nahm er auf und überließ die anderen schweren Herzens der Welt vor den Kirchentoren, denn auch die großen Hallen konnten nicht jedem Schutz bieten. Am Tage kochte man heiße Suppe in der hin und wieder ein Zwiebel, mal ein Lauf schwamm und sonnst nur aus heißem Wasser bestand. Zuerst bekamen die kleinen, dann öffneten sich die Pforten des Tempels und den hungernden Menschen wurde durch Kinderhand gefüllte Schalen gereicht. Den ganzen Winter lang und bis zur Zeit der Auslese, tat so der fromme Bischof sein Werk. Und die Menschen waren froh, dass man sich ihrer erinnerte, auch wenn der Glaube an das heilige Licht den Reichen vorbehalten war, so wurde Güte auch den Ärmsten zu Teil. Zur Jahreswende spendierte der Bischof den armen Kindern einen wahren Schatz, Süßigkeiten aus kandiertem Zucker. Was für Kinder reicher Bürger nur billige Leckereien waren, war für die Kinder die nichts besaßen, oft nicht einmal Eltern, der wertvollste Schatz ihres Lebens.
Doch auch der noch so beherzte Einsatz des Bischofs konnte nicht verhindern, dass in den darauf folgenden Jahren, viele seiner Schützlinge verstarben und elendig zu Grunde gingen. Als zehrte jede verstorbene Seele seine eigenen Lebensjahre auf, alterte der Bischof recht schnell. Und wie er alterte wurde die Not der Menschen größer. Nur glauben sie nun an Hoffnung im Menschen und der Gemeinschaft.
Die späten Sommerwochen waren die Zeit der Ernte auf den Feldern. Das Getreide war über das Jahr üppig gewachsen, die Fische schienen in die Boote der Fischer zu springen und selbst die empfindlichen Obstbäume trugen saftige Früchte. Die Menschen der Stadt freuten sich auf eine reiche Ernte und einen vieleicht weniger hungrigen Winter. So war es, das über Wochen hinweg die Straßen der Stadt fast menschenleer waren. Alle waren beim Einbringen der Ernte behilflich und erhofften sich ihren Anteil.
Nur die Priester und einige wenige Bürger waren in der Stadt geblieben. Es war die wenige Zeit in der sich der Bischof schonen konnte und Kräfte sammelte. Diese sollte er bald benötigen, denn das Meer brachte Reisende.
Frischer Wind
Aus heiterem Himmel zogen dunkle Wolken vom Meer ins Land. Und mit ihnen peitschte ein kalter Wind über die Küste. Er ließ den Atem zu Nebel werden und trug weiße Flocken mit sich. Und dann kam der Regen, der eiskalt vom Himmel viel. Wie winzige Meteore schlugen die Wassertropfen hart auf den Boden und verwandelten die Felder in schlammige Sümpfe. Und wer da stand an den Klippen und auf das Meer hinaussah konnte sie sehen, die Reisenden die vom Unwetter getragen wurden und in Nebel gehüllt waren. Ein ganzes Duzend schwarzer Segel. Die schwarzen Leinen trugen grimmige und wilde Männer über das Meer und ließen sie sicher an der Steilküste in einer kleinen Bucht nahe der Stadt landen. Obwohl es nur eine minütige Reise war von der Küste zur Stadtmauer, brauchten die Seefahrer fast einen halben Tag für diese Route, entlang der Straße. Ihr Eintreffen wurde lange vorher durch entsetzliche Schreie, Wehklagen und Gewimmer angekündigt. Panisch fliehende Männer und Frauen, viele blutüberströmt und mit unfassbaren Schrecken in den Gesichtern, flüchteten in Scharen durch die Stadttore. Hinter ihnen die Seefahrer der dunklen Schiffe, mit mordlüsternem Blick und Lächeln auf den Mündern, auf deren Lippen sie noch das Blut der unschuldigen dahin gemetzelten schmecken konnten.
In all der Aufruhe war es der Bischof der ganz oben an den Stadtmauern stand um zu sehen was vor sich ging. Mit blankem Entsetzen sah er was sich vor seinen Augen abspielte. Es trieb ihn tiefe Dornen ins Herz und peitschte seine Seele ohne Gnade. Die Seefahrer hatten viele Gefangene gemacht und aus der Straße vor der Stadt einen Rabenstein gemacht. Unter den Gefangenen waren Kinder, so viele Kinder. Viele hatte der Bischof so oft gesehen, ihnen beigestanden und Trost gespendet. Es waren arme und reiche, Waisen und von Eltern aufrichtig geliebte Kinder. Und wie die Mütter wehklagten und Rotz und Tränen in Sturzbächen heulten, die im andauernden Regen im Morast weggespült wurden, litt der gealterte Bischof auch und verlor die Kraft auf den Beinen stehen zu können und sank in die Knie. Doch der Schrecken sollte seinen Höhepunkt erst noch finden. Versteckt hinter den Stadtmauern beobachteten die Bewohner der Stadt das Grauen, dass ihre Liebsten erwarteten. Aus den Reihen der Seemänner trat ein breiter Mann hervor, mit dunklem langem Haar, das ihn durch den Regen in Strähnen herab hing. In seinem Bart hingen zahllose Wassertropfen wie Perlen, die in der Kälte begannen zu frieren. In der rechten Hand trug er ein blutgetränktes Säbel und am Leib einen schweren dreckigen Mantel. Wie seine Männer war auch er leicht gerüstet in Ledermontur und warmer Kleidung. Er schien der Anführer, der Kapitän zu sein, denn auf seinen Wink trugen seine Gefährten, einige Erwachsene Gefangene derer sie habhaft werden konnten zum Rabenfels. Auf das Senken seines Schwertes begann das blutige Spektakel. Wie wildes Vieh wurden die laut um Hilfe schreienden Männer und Frauen mit rostigen Messern aufgeschlitzt, ausgeweidet, auf Baumstümpfen enthauptet oder gehängt, in dem man ihnen einen Strick um den Hals band und sie von der Klippe der Steilküste stieß. Es war den Seefahrern eine große Freude den fast zwei Duzend erwachsenen Männern und Frauen solche Qualen bis zum Tod zu bereiten.
Als sich die Raben an den Überresten gütig taten, trat der Kapitän zur Stadtmauer und rief den Leuten seine Botschaft zu. Der eisige Wind trug seine Stimme bis in die Hallen des Tempels, weit im Zentrum der Stadt. In jede Gosse und jedes Haus drang seine Stimme als wäre sie nicht menschlich.
"Seht Bewohner der Stadt! Seht ihr Elenden, was euren Kindern erwartet! Seht was euch bevorsteht wenn ihr euch weigert uns zu gehorchen! Wir sind arme Reisende und suchen nach dem Schicksal. Doch die Suche ist teuer und fordert Leben, Schiffe und Gold. Mit 12 Schiffen kamen wir, so fordern wir 12 Kisten Gold, für jedes Schiff eine und eine Weitere Kiste voll mit Schätzen, damit wir unsere Seelen freikaufen können!"
Mit einem Grinsen trat er den Kopf eines Geköpften die Klippen hinunter. Er nahm Platz auf dem Baumstumpf und beendete seine Rede.
"Ich erwarte noch vor Sonnenuntergang 13 Kisten voller Kostbarkeiten hier vor meinen Füßen! Sonst erfüllen Kinderschreie die Nacht!"
Lachend machten es sich die Seeräuber gemütlich und nahmen ein reiches Mahl. Die Kinder blieben bei ihnen in Sichtweite, aneinander gefesselt und geknebelt, drang ihr leises Wimmern kaum in die Ohren der Stadtbewohner. Doch ihre stillen Hilfeschreie drangen in die Herzen der Menschen, die darauf in die Häuser flüchteten und alles zusammensuchten was in irgendeiner Form aus Gold, Silber oder Messing war. Selbst die Reichsten plünderten ihre Schätze und die Ärmsten suchten ihre letzte angelaufene Münze in den Strümpfen oder auf den Pflastersteinen. Die Bewohner trugen alles zusammen was sie finden konnte und füllten sie in Truhen die an der Stadtmauer bereit standen. Doch es reichte nicht. Gerade einmal sechs Truhen konnten gefüllt werden, die anderen blieben leer. Die Menschen begannen zu jammern. Einige fielen auf die Knie und begannen zu beten, denn die Forderung der Räuber konnte nicht erfüllt werden. Bald war der Tag vorüber und die Stadt würde mit ansehen müssen wie man ihr die Kinder auf grausamste Art und Weise nahm. Doch das Wehklagen wurde durch eine laute Stimme unterbrochen. Es war nicht der schrecklichen Kehle des Kapitäns entsprungen, sondern dem Bischof der auf den Treppen des Tempels die Leute zu sich rief.
Der Glaube der Armen
"Liebe Leute hört mich an! Liebe Leute kommt zu mir! Hinter mir befinden sich Schätze, geweiht dem Licht. Helf mir sie zu holen und das Werk des Lichts zu tun. Kommt, kommt!"
Das Wehklagen das noch kurz zuvor die Straßen und Gassen der Stadt erfüllt hatte, verhallte auf einmal. Von überall her kamen die Menschen zum Bischof und versammelten sich vor den Toren der Kirche. Diese waren aber von innen verriegelt worden, durch die Priesterschaft im gleichen Augenblick als ihr Oberhaupt seine Botschaft verkündet hatte. Niemals hätten sie es zu gelassen das die Heiligtümer des Lichts geraubt und derartig geschändet werden sollten. Doch so schwer und mächtige die Tore auch waren, sie hielten den Willen des Volkes nicht stand. Unter lautem Knacken und Ächzen brachen die Türen zum Tempel auf und die Menschen strömten in die Hallen und raubten alles was golden und silbern glänzte. Auch edle Tücher und Weihrauchgewürze wurden mitgenommen. Tatenlos sahen die Priester zu wie die verzweifelten Menschen alles mit sich nahmen und zu den Truhen schafften die an den Mauern bereit standen. Doch selbst die Schätz der Kirche reichten nicht aus um alle 13 Kisten zu füllen, eine blieb leer.
Erneut machte sich Verzweiflung und Trauer in den Menschen breit, erneut würgten die dunklen Gefühle an den Seelen der Menschen. Sie hatten alles, alles was sie besaßen hergegeben, nun besaß niemand mehr etwas, was wirklich von wert war. Doch bevor der Kümmer sich erneut in den Straßen durch ein jammervolles Wehklagen verbreiten konnte, schloss der Bischof die letzte Kiste, nachdem er etwas hineingelegt hatte. Niemand konnte erkennen was sich in der Kiste nun befand. Aber es schien wertvoll zu sein, denn der Bischof verriegelte die Kiste mit einem Schlüssel und gab Anweisung die Kisten auf einen Ochsenkarren zu heben, den er selbst allein hinausführte.
Noch bevor die Sonne durch die schweren Wolken den letzten Sonnenstrahl auf die Welt sendete stand der Bischof mit den 13 Kisten vor den Piraten. Mit einem freudigen Lächeln trat der Kapitän auf den Tribut zu den man ihm darbrachte. Er öffnete eine Kiste nach der anderen und erfüllte sein Herz mit Freude im Angesicht des Goldenen Scheins, der von den wertvollen Schätzen ausging.
Als er sich jedoch die 13. Kiste vornahm, wich der Freude einer boshaften Wut. Er konnte die Kiste nicht öffnen und hob sie an um zu bemerken, das sie überraschen leicht war. Dann ließ er sie auf den Boden fallen, wo sie sich in den schlammigen Boden grub, aber unbeschädigt blieb.
"Du willst uns wohl zum Narren halten? Hast du geglaubt wir würden die Kisten nicht kontrollieren und du könntest uns eine leere Kiste andrehen? Du falscher Schuft! Ich hatte 13. Volle Kisten mit Schätzen verlangt und ihr bringt mir 12 und eine leere Kiste!"
Da erwiderte der Bischof mit ernster Mine und strenger Stimme. Ein ungewöhnlicher Mut hatte ihn entflammt und so sprach er kühn seine Worte ohne Furcht.
"Diese Kiste ist nicht leer, sie ist gefüllt mit einem Schatz. Wir brachten euch 12 Kisten mit Sünden, die unsere Stadt hat verderben lassen. Die letzte Kiste ist gefüllt mit dem was uns Menschen ausmacht wenn wir alle nichts haben. Sie ist gefüllt mit Hoffnung und Zuversicht."
Ein heiteres Gelächter brach unter den Piraten aus, doch di Wut des Kapitäns stieg ins unermessliche, fühlte er sich doch vom Bischof betrogen und zog seine Klinge.
"Nun gut, dann soll die letzte Kiste mit 12 Köpfen von Kindern gefüllt werden!"
Er sah zu den Gefangenen Knaben und Mädchen und ließ 12 von ihnen auswählen, die diesem grausigen Mord zum Opfer fallen sollten. Erneut sprach der Bischof, tadelnd und warnend.
"Lasst ab von eurem grausigen vorhaben und nehmt die Gaben die wir euch brachten, oder der Zorn unserer Hoffnung und unseres Glaubens werden euch treffen!"
Da begann der Kapitän zu lachen und trat auf den ersten Jüngling zu um ihm die Klinge an die Kehle zu halten. Doch bevor er zum tödlichen Schlag ausholen konnte hielt er inne. Er sah in die Gesichter seiner Gefolgsleute, in denen sich nun Angst und Furch breit machte. Dann wendete er sich um und sah zum Bischof der noch immer bei den Kisten stand. Doch hinter ihm versammelten sich nun die Leute der Stadt. Sie kamen angerannt, mit Hacken, Piken, Hämmer, Stäben, Besen und Küchenutensilien. Wie eine Armee reihte sich die Stadtbevölkerung hinter dem Bischof auf, der vor ihnen Stand wie ein Heerführer. Sie waren bereit und entschlossen, denn der Furcht war nun Willenskraft gewichen. Ein Wille war geboren zusammen zu stehen in den Zeiten der Not.
Von Angst gepackt flohen die meisten der Seeräuber in Panik zu den Booten mit denen sie gelandet waren. Nur die mutigsten blieben bei ihrem Kapitän. Es waren zu viele Bürger, Bettler, Bauern und auch Priester die sich vor den Angreifern versammelt hatten, um sie besiegen zu können. Hals über Kopf machten die Flüchtlinge die Schiffe klar und stachen in See. Doch der tosende Sturm der sie an diese Küste geführt hatte, wandte sich wie durch Magie gegen sie. Die hohen Wellen peitschten die Schiffe an die scharfen Klippen, die Masten brachen im heulenden Wind und die Seemänner ertranken.
Der Kapitän und eine Hand voll seiner Männer blieben zurück. Auch ein einziges Schiff war vom Sturm verschont geblieben und ankerte vor der Küste. Geschlagen legte der grausame Mann seine Waffe nieder und sank auf die Knie, bereit sich seinem Richturteil durch die Stadtbewohner zu stellen.
Doch anders als erwartet, befreiten die Bewohner nur ihre liebsten Kinder und führten sie heim. Die Menschen waren froh, dass der Schrecken ein Ende gefunden hatte. Der Bischof trat auf den Kapitän zu und reichte ihm die Hand. Mit Verwunderung nahm dieser die helfende Geste an und erhob sich.
"Nehmt die 12 Kisten der Sünde mit euch und nehmt die eine Kiste mit Hoffnung und Zuversicht mit euch. Bringt sie an fernen Ufern wo dieser Schatz gebraucht wird."
Als würde er seinen Auftrag verstehen, nickte der Kapitän und einige Tränen erfüllten sein Gesicht. Er ließ alle 13 Kisten auf das letzte Schiff laden und legte a. Der Sturm der seine Kammeraden ertränkt hatte, hatte Gnade mit ihm und treib das Schiff weit auf das offene Meer hinaus.
Schwarze Segel
Das Leben ging weiter in der Stadt. Es war nicht einfacher geworden, doch die Menschen verspürten ein noch nie gekanntes Zugehörigkeitsgefühl. Enger arbeiteten sie zusammen, denn nun waren alle gleich, niemand besaß mehr oder weniger. Doch die Jahre vergingen wie im Flug für den alten Bischof, bis dieser eines Morgens nicht mehr aus seinem Bett erwachte. Er wurde in der Kirche beerdigt, die nun durch grauen Stein und ihrer Heiligtümer beraubt, nackt war.
Doch es dauerte nicht lange, da zog ein neuer Bischof in die Stadt ein, mit dem Auftrag, das reiche Land zu neuer Blüte zu führen. Im Auge der Kirche hatte der gute Bischof versagt, nun sollte sein Nachfolger alles besser machen. Bald wieder zogen bekannte Sitten und Sünden in die Stadt ein. Erneut gab es Bettler und jene die sich an dieser Armut selbst bereichern konnte. Erneut war die Kirche gefüllt mit Schätzen und erneut Herrschte Armut, Trauer und Hoffnungslosigkeit auf den Straßen und in den Gossen zogen Tyrannei und Habsucht ihre Routen.
Eines kühlen Morgens zog ein dichter Nebel auf und verhüllte fast die gesamte Küste. Das Meer peitschte wild, der Wind heulte auf und die Gischt ertränkte das Ufer. Erneut peinigte ein eisiger Regen das Land. Das Meer erhob sich zu nie gesehener Größe. Wie durch weiße Handschuhe wurden die Felsen durch Wellen gegriffen. Ein Gebirge tat sich auf aus unermesslichen Wassermassen. Doch die Menschen spürten keine Furcht. Sie gingen mit ihren Kindern auf die Straßen, zu den Küsten und sahen auf das Meer hinaus. Nur der neue Bischof und neue zugezogene Bürger verkrochen sich in den Häusern und verriegelten die Türen. Sie fürchteten sich vor diesem Wetter und vor den Gesängen die bald vom Sturm an die Küste getragen wurden.
Weit am Horizont, konnte man sie sehen, die 13 schwarzen Segel, der Langschiffe, an dessen Riemen grimmige Seeleute ruderten und auf die Küste zusteuerten, wie Geister des Meeres. Und je näher sie kamen, desto lauter erklang ihr Lied, begleitet von Trommeln und Kriegshörnen.
An den Rudern - durch den Sturm – auf dem Weltenmeer.
Schwarze Segel, - Gewitterglanz – zieht das lichte Heer.
Noch im Sturm – die dreizehn Kisten,
getragen durch – dreizehn Schiffen!
Auch wenn uns auftut - Berg und Tal - Wir segeln mutig über das Meer.
Zwölf Kisten voll Sünden – suchen wir. – Wir segeln suchend über das Meer.
Auf den Decks – an den Rudern – wilde Seemänner.
Gischt schäumt auf – Wellen brechen – Reise ohne Wiederkehr.
Noch im Sturm – die eine Kiste,
gefüllt mit dem – wertvollsten Schatze!
Auch wenn uns auftut - Berg und Tal - Wir segeln mutig über das Meer.
Zwölf Kisten voll Sünden – suchen wir. – Wir segeln suchend über das Meer.
- Über das Meer!
Paukenschlag , – Gewittergroll – und des Kriegshorn Klang.
Lautes Stampfen – wildes Geheul – und der Männer Sang.
Noch im Sturm – die dreizehn Schiffe,
eingehüllt in – mutigem Klange!
Auch wenn uns auftut - Berg und Tal - Wir segeln mutig über das Meer.
Zwölf Kisten voll Sünden – suchen wir. – Wir segeln suchend über das Meer.
- Über das Meer!
- Über das Meer!
Und als sie näher kamen, so wurde auch der Gesang lauter und die Klänge erfüllten bald die Herzen jener mit Hoffnung und Freude, die an der Klippe standen, im kalten Regen und hinauf auf das Meer sahen. Bald waren sie gekommen, die 13. Schiffe mit den schwarzen Segeln und landeten wie einst an der Küste. Und wieder stiegen wilde Männer von den Boten, von den Wellen gepeitscht und vom Gesang erfüllt. Sie traten in einem großen Zug auf die Stadt zu. Ganz an der Spitze lief der Kapitän, in den Händen eine Holzkiste. Die Bewohner, welche an der Küste standen öffneten die Tor der Stadt und führten sie zum Tempel des Lichts, wo die verängstigten Priester und der neue Bischof dastanden und ungläubig auf das Geschehen blickten.
Wie von Geisterhand geführt brachten die Bewohner der Stadt Geld und Schätze heran und füllten sie in 12 Kisten, die die Seemänner in ihrem Gesang auf die Stufen der Kirche platziert hatten. Gelähmt von Furcht mussten die Kleriker ansehen wie einige ihrer älteren und heimischen Geschwister die neuen Heiligtümer der Kirche raubten und zu den Kisten brachen. Sie stießen zischende Flüche aus und beschimpften alles mit Teufelei. Dann trat ein wütender Priester auf den Kapitän zu und fing an ihn im wütenden und maulenden Ton anzuschreien."Mit welchem Recht raubt ihr diese Stadt aus, mit eurer Hexerei?"Der doch schon stark gealterte Kapitän antwortete schlicht: "Es ist kein Zauber, nur die Not, wir verlangen nicht, man gibt uns freiwillig die Sünden dieser Stadt." Der Priester schien nicht zu verstehen. Dann fragte ein anderer ängstlich: "Wohin bringt ihr diese Sünden?" Und die Antwort war knapp: "Über das Meer!"
Und als die Kisten gefüllt waren, so trat der Kapitän in den Tempel, zum Grab des alten Bischofs und legte die Kiste vor diesem auf den Boden ab. "Ich erfülle meine Aufgabe, wie ihr es aufgetragen habt." Dann erhob er sich und ging mit seinen Männern wieder zurück an Deck, der 13 Schiffe. Dann segelten sie wieder in den Sturm hinaus, an Bort hatten sie die 12 Kisten voll Sünden und erneut eine Kiste mit dem wertvollsten Schatz der Menschen.