Tirlania
60
Angemeldet seit: 07.10.2018
Beiträge: 2
|
################################################
Nachdem ja die ursprüngliche Tirlania-Geschichte von Nefarian ein Ende fand und Celebras etwas neues ist - gibt es auch eine neue Einleitung zur Barmherzigen Schlüsselträgerin in Weiß...
################################################
Der Herbst war über das Land gekommen und die Blätter der Bäume färbten sich bereits bunt, während die Dunkelheit der Nacht immer früher hereinbrach. Als wäre das nicht bereits ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Sommer sein Ende fand, frischten die Winde immer mehr auf und heulten um die Türme der Abtei. Im inneren merkte man davon nur wenig. Ein gelegentliches Heulen, wenn eine besonders starke Böe im richtigen Winkel auf die massiven Steinmauern traf oder das Knacken der Zweige und Äste, die diesen Herbst und den darauf folgenden Winter nicht überstehen würden.
In der kleinen Kammer leuchtete nur eine Kerze hell in die Dunkelheit, während die kleine Gruppe davor kniete, tief versunken in ihre Gebete trotzten sie dem kalten Steinboden wie sie es jeden Abend zur Andacht taten. Die Stille war fast schon unheimlich und dennoch bereitete das leise Gemurmel der Psalmen und Verse ein Kontra zu dem Wind, der von außen gegen die Mauern brandete. Die Stille in der Kapelle wurde jäh unterbrochen als die Tür von einem Knaben aufgestoßen wurde. Nass von Regen oder Schweiß schrie er mit letzter Kraft, die ihm geblieben war.
„Die Mine! Die Mine! Ihr müsst kommen Lady Tirlania! Die Mine!“
Eine der Priesterinnen aus der Gruppe reagierte auf den Namen und drehte sich um zu dem Knaben und es brauchte keine weiteren Worte als sie den Jüngling erblickte. Während sie auf ihn zuschritt rief sie bereits die ersten Anweisungen zu den restlichen Novizinnen und Neophyten.
„Holt die anderen, die Verbände, die Tinkturen und vor allem die Traumblätter. Beeilt euch und sammelt euch am Tor zum Wald.“
Die anderen knieenden Gestalten nickten und murmelten im Chor leise Bestätigungen, bevor sie durch verschiedene Türen an der Seite die Kapelle verließen. Tirlania stand vor dem Knaben und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. Sie wussten alle, dass die Andachten nicht gestört werden durften außer es handelte sich um dringende Fälle und der Knabe war blasser geworden je näher die Priesterin ihm kam.
„Beruhige dich mein Kind und erzähle mir genau was vorgefallen ist. Wer hat dich geschickt?“
„Die Mine! Die Mine! Ihr müsst ihnen helfen Lady Tirlania! Bitte!“ stammelte der Knabe, ohne den Blick auf sie zu richten. Er mied ihren Blick, als wäre es schon Frevel genug gewesen überhaupt die Andacht zu stören.
Tirlania kniete sich vor den Knaben und legte ihre Finger behutsam an das Kinn des Kindes, um den Kopf zärtlich ein wenig zu heben. Als sie die Haut des Jungen berührte, spürte sie die Kälte und den Schweiß – er musste den ganzen Weg hierher gerannt sein und offenbar war er vollkommen außer Atem.
„Beruhige dich doch. Ich werde helfen. Von welcher Mine redest du? Und was ist passiert?“
„Jaspis… die Mine … sie haben mich geschickt euch um Hilfe zu bitten. Ihr müsst kommen! Schnell!“ Da der Junge den Blick nun nicht mehr von der Priesterin abwenden konnte sah er sie flehend und ängstlich an. Rotz, Tränen und Dreck schmückten sein Gesicht, während er keuchend vor der Priesterin stand.
„Die Jaspis Mine.“ gab Tirlania nickend zurück, erhob sich und rief in die Dunkelheit der Kapelle „Magda! Kümmere dich um den jungen Karlos hier – eine warme Suppe und ein warmes Feuer für den mutigen Boten.“
Mit offenen Augen starrte der Knabe die Priesterin an, welche sich bereits wiederaufgerichtet hatte. „Ihr wisst wer ich bin Lady Tirlania?“
Die Priesterin lächelte nur knapp und übergab den Jungen einer Novizin, die herbeigeilt kam. „Ich kenne alle meine Schäfchen mein Kind.“
Der Knabe wurde an die Novizin übergeben, welche im Gegenzug den Mantel von ihrem Arm an Tirlania weiter reichte. Dankbar nahm diese ihn entgegen und war froh darüber nicht noch mehr Zeit vergeuden zu müssen. Magda war eine gute Novizin und dachte mit. Sie würde es weit bringen, wenn sie ihren Glauben nicht verlor. Nachdem der Knabe gegen den Mantel ausgetauscht war und ein stiller Blick zwischen den beiden alles weitere geklärt hatte verließ die Priesterin die Kapelle, warf sich den Mantel über und ging mit schnellen Schritten durch den nassen Herbstabend über den Platz vor der Abtei zu der Gruppe von Heilern, Novizen und Novizinnen, die bereits schwer beladen am Tor auf sie warteten.
„Die Jaspis Mine – ich kann euch nicht sagen was uns dort erwarten wird, aber wir sollten uns beeilen.“
Nachdem einige Laternen und Fackeln in der Gruppe verteilt und entzündet wurden, verließen sie die gewohnte Sicherheit hinter den Abteimauern und Tirlania an der Spitze führte sie still durch den dunklen Wald ihrem Ziel entgegen. Es musste schlimm sein, wenn die Männer und Frauen der Mine nur einen Knaben zur Abtei schickten. Soviel war ihr bereits klar geworden. Erst recht, wenn er sie in der Abendandacht störte. Unterbewusst beschleunigte sie ihre Schritte und spürte das Gewicht der Tasche auf ihrer Schulter, während sie über die Wurzeln ging und den Lichtschein hinter sich im Rücken spürte. Sie kannte die Wälder hier, jeden Stein und jede Wurzel, aber sie wusste auch, dass die jungen Novizen nicht dieses Wissen hatten und mäßigte ihr Tempo ein wenig. Niemandem wäre geholfen, wenn die kleine Gruppe selbst mit Verwundeten an der Mine ankommen würde.
Schon in einiger Entfernung hörten sie die Schreie, Rufe und das Gebrüll, welches an der Mine herrschte. Es musste die halbe Ortschaft hier sein. Offenbar hatten sie neben dem Knaben auch andere Boten ausgeschickt um Hilfe zu holen. Als sich die Bäume des Waldes lichteten und der Eingang der Mine sich am anderen Ende der Lichtung abzeichnete stockte selbst Tirlania der Atem für einen Moment. Sie hatte mit etwas schlimmen gerechnet aber auf diesen Anblick war sie dennoch nicht vorbereitet gewesen.
„Licht gib mir Kraft.“ war das leise, kurze Gebet was sie sich selbst zugestand, bevor sie auf dem Absatz herumwirbelte und ihre Gruppe betrachtete und in ihren Augen sah, dass sie im Glauben wankten und Führung brauchten.
„Marla, Tichon, Albert! Ihr drei geht zur Nordseite der Lichtung und richtet dort alles her. Kandra und Philipos, ihr kommt mit mir. Gebt eure Taschen den anderen. Los!“ Die Stimme von Tirlania klang immer noch sanft, aber auch bestimmt und duldete weder Widerworte noch Rückfragen. Fast dankbar einen präzisen Befehl bekommen zu haben, machten sich die angesprochenen auf den Weg und begannen mit ihren Aufgaben.
Kandra und Philipos folgten Tirlania, welche zielstrebig zur Mitte der hell erleuchteten Lichtung und damit zum Zentrum des Tumults ging.
Je näher sie dem Mineneingang, den unzähligen Leuten und dem Zentrum der Aufregung kam, desto mehr wusste Tirlania:
Dies würde eine sehr lange, düstere und arbeitsreiche Nacht werden.
Als die kleine, in weiße Roben gehüllte Entourage, die Menge vor der Miene traf und zielstrebig in deren Mitte ging begannen die Gespräche zu verstummen. Die blonden Haare von Tirlania waren bekannt und niemand wollte der erste sein. Als Tirlania und ihre beiden Novizen in der Mitte der Gruppe angekommen waren sah sich die Priesterin erst um, bis ihr Blick auf der Mine hängen blieb.
„Was steht ihr hier herum? Wer verletzt ist geht zur Nordseite und lässt sich versorgen. Harald! Du schickst deinen jungen allein los mich zu holen? In der Nacht durch den Wald? Tritt vor und erkläre mir was dich dazu veranlasst hat.“
In der Menge entfernten sich erste Gestalten nur zögerlich aber ein allgemeines, erleichtertes seufzen machte sich breit als die Priesterin nach Harald verlangt. Dieser trat vor, das Gesicht verdreckt von Staub und Schweiß während er stammelnd mit einer Erklärung anfing. „Unsinn Ich ähm habe den Jungen nicht geschickt. Er ist hier irgendwo. Ganz sicher. Wir ähm überlegten gerade wer Schuld an dem Einsturz haben könnte und wie wir in die Mine gelangen. Ich sage euch es war dieser Gnom und seine vermaledeite Erfindung. Wir sollten…“
Weiter kam er nicht als Tirlania vortrat und ihm das Wort harsch abschnitt. „Karlos ist allein zur Kapelle gekommen und hat mich geholt. Magda kümmert sich um ihn. Wenigstens er hatte soviel Grips uns zu alarmieren. Obwohl ich noch immer nicht verstehe warum. Ich sah einige Schürfwunden und vielleicht zwei oder drei gebrochene Arme – kaum etwas für das ihr nicht hättet zu uns kommen können. Wo ist dieser Gnom, von dem ihr sprecht? Und warum hat uns Karlos geholt?“ Die Stimme klang zwar direkt aber immer noch freundlich. Dennoch schwang eine gewisse Ungeduld in ihr denn Tirlania hatte es in den Augen des Knaben gesehen – hier ging mehr vor sich als einige Abschürfungen.
„Er ist wie die anderen noch in der Mine… vermutlich werden sie alle bereits tot sein.“
Tirlania fuhr herum – es war ihr einerlei wer ihr diese Information gegeben hatte aber das es noch Leute gab, die in der Mine gefangen waren während hier draußen unzählige Helfende Hände ruhten ließ ihr keine Ruhe.
„Da sind noch Leute drin? Los beginnt zu Graben. Beim Licht! Holt sie raus! Sie müssen unglaubliche Schmerzen und Verletzungen erlitten haben!“
„Geht nicht… die Explosion hat ein Feuer ausgelöst und die Stahlträger am Eingang sind zu heiß, um sie zu berühren. Wir würden uns die Haut verbrennen, wenn wir in ihre Nähe gehen.“
„Fünf starke Männer zu mir – der Rest wird eine Eimerkette organisieren und Wasser vom Kristallsee hier heraufschaffen. Kandra und Philipos werden euch einweisen.“ Mit einem Nicken ging sie ohne weitere Anweisungen zum Eingang der Mine an dem die verbogenen Eisenträger rot glühen und das Inferno hinter den schweren Felsbrocken erahnen ließen. Ohne sich umzudrehen nickte sie sich selbst zu, wissend das mindestens fünf Männer ihr gefolgt waren und blendet bereits die Geräusche der Eimerkette, des Waldes und um sie herum aus.
„Licht gib mir Kraft.“ murmelte sie abermals leise vor sich hin, während ihre Gedanken rasten. Sie wusste wohl, dass die Männer recht haben. Die Träger waren viel zu heiß um sie ohne Verletzungen beiseitezuräumen. Magier würden zu lange brauchen, um anzureisen und sie abzukühlen. Sie wusste was es zu tun galt und hasste sich bereits dafür, während sie sich zu den starken Armen hinter ihr umdrehte.
Das Gleichgewicht – es ging immer um das Gleichgewicht und sie wusste, dass sie es gleich brechen würde und den Preis dafür später bezahlen musste. Doch jetzt galt es die Leben zu retten und dafür war ihr noch nie ein Preis zu hoch gewesen.
„Glaubt an das Licht und das Licht wird euch beschützen.“ Jeder der fünf Männer vor ihr wurde genau gemustert, bevor die Priesterin ihre Augen schloss und leise ein Gebet lautlos in den Wald entließ. Ihre Handflächen begannen in einem sanften Licht zu schimmern.
„Habt keine Angst. Das Licht wird euch begleiten, schützen und gemeinsam werden wir der Dunkelheit den Schrecken nehmen und die verschütteten retten.“
Die Männer betrachten ‚ihre‘ Priesterin skeptisch und blicken immer wieder zu den rotglühenden Eisenträgern. Je länger Tirlania sprach, desto mehr verändert sich der Blick der Männer. Zuversicht kehrte ein und der Glaube daran, dass man es wirklich mit dem Inferno und der Hitze aufnehmen konnte. Dennoch schlich sich auch Zweifel und Angst mit in die Blicke. Eisen sollte nicht so rot glühen und die Hitze konnte man selbst in dieser Entfernung spüren.
„Glaubt an die Kraft des Lichts und wir werden Erfolg haben.“ erklang die Stimme sanft und das helle Leuchten in der Dunkelheit der Nacht begann auch auf den Armen und Händen der Männer zu leuchten. Ähnlich einem Handschuh legt es sich über die Körper der fünf Männer und um Tirlania selbst, bis die sechs Personen eingehüllt in einen dünnen Schimmer vor der Mine standen.
Die Priesterin ging als erste auf den glühenden Träger zu, der ihr den Weg versperrte. Sie wusste, dass die Männer immer noch zweifelten und zum Beweis der Kraft, die sie nun umgab, legte sie ihre Hand auf das glühende Eisen, ohne eine Miene zu verziehen blickte sie zu den Männern. „Das Licht wird euch schützen. An die Arbeit – räumt den Eingang frei wir haben nicht viel Zeit.“
Wie im Chor antworten die fünf „Jawohl Lady Tirlania.“ und machen sich an die Arbeit die glühenden Träger beiseite zu räumen. Erst zögerlich aber als sie weder Hitze noch Schmerz verspüren mit mehr Elan und Eifer.
Die Priesterin ließ keinen von ihnen aus den Augen und verfolgte den Fortschritt der Arbeiten, während sie den Preis für den schützenden Schild bereits spürt. Die Gedanken daran verwarf sie schweigend – jeder Preis war ihr Recht, wenn sie nur die Leben ihrer Schäfchen retten konnte.
Fast zeitgleich mit dem letzten Balken, der den Weg versperrte, erreichen die ersten Eimer die Mine und Tirlania entließ die fünf Männer, um sich auszuruhen. Die Arbeiten und die Kraft des Gebetes hatten ihr einiges abverlangt, aber dennoch bleibt sie selbst vor Ort.
„Löscht die Flammen und arbeitet euch in die Mine vor – wenn ihr Opfer findet bringt sie heraus und übergebt sie uns.“
Die arbeiten gingen schweigend voran und fast fühlte es sich an, als wäre der Wald um die Mine herum mit jeder Stunde, die verstrich dunkler geworden. Einige Arbeiter sowie der Gnom, von dem einst die Rede war wurden befreit, kurz begutachtet und dann mit einigen Anweisungen zur Nordseite und dem provisorischen Lazarett gebracht. Die Helfer wurden immer wieder wegen Erschöpfung und zur Erholung von Tirlania ausgetauscht und die Rettung aus der Mine verlief größtenteils ohne Zwischenfälle.
„Beim Licht! Die arme kleine.“
Der Ruf aus der Mine ließ die Priesterin aufhorchen und bereits zum Eingang laufen.
„Wir … es ist zu spät für die Kleine. Sie lebt zwar noch, aber wir sollten ihr ein schnelles Ende bereiten. Davon kann sich niemand mehr erholen und es wäre gnädiger, wenn wir …“ weiter kam der Mann mit dem Bündel auf dem Arm nicht als er den Blick der Priesterin bemerkte.
„Ich werde heute Abend niemanden zu Grabe tragen. Ist sie die letzte?“
Der Mann nickte nur knapp und hielt das kleine, entstellte Bündel weiterhin im Arm. Ob nun als Schutz vor Tirlania oder weil er nicht weiter wusste sollte ungeklärt bleiben. Der Blick der Priesterin verweilte nur kurz bei dem Mann. Sie wusste ja, dass er es nur gut meinte und unter normalen Umständen hätte er Recht behalten.
Der Körper auf seinen Armen war fast bis zur Unkenntlichkeit zerquetscht und entstellt. Brandwunden zierten die dünnen Arme. Schnitte und Abschürfungen die Beine. Der Brustkorb war eingedrückt und das Kind atmete nur flach und unregelmäßig. Hier bestand wenig Hoffnung auf Heilung mit normalen Mitteln. Es wäre in der Tat gnädiger gewesen die kleine Gestalt von ihrem Leid zu erlösen.
„Legt sie ab und geht.“
„Aber Lady Tirlania – ihr könnt sie nicht retten. Niemand kann das.“
„Legt sie ab und geht.“ Wiederholte die Priesterin mit mehr Nachdruck. Sie wusste sie sollte es nicht in Erwägung ziehen. Der Preis für das Gleichgewicht war ohnehin zu hoch. Sie wusste das Licht würde ihr den Wunsch gewähren. Sie wusste das sie es nicht tun sollte. Und sie wusste, dass sie es dennoch tun würde und bereit war den Preis zu zahlen.
Gehorsam wurde das Kind abgelegt und der Retter entfernte sich von den beiden. Nicht weit, um auch ja nichts zu verpassen aber dennoch weit genug, um ihnen die Ruhe zu geben die sie gefordert hatte.
Kandra war die mutigste der Novizen und schlich sich von hinten an Tirlania heran, während sie leise sprach. „Ihr könnt sie nicht retten. Ich weiß ihr wollt keines eurer Schäfchen verlieren, aber ihr könnt sie einfach nicht retten. Der Preis …“
Barsch und ohne den Blick zu heben, unterbrach Tirlania ihre Novizin. „Ich kenne den Preis. Ich kenne all die Preise und beim Licht ich werde heute niemanden sterben lassen. Versorgt die anderen.“
Kandra rührte sich nicht von der Stelle. Alle anderen waren bereits versorgt worden. Die Nacht war lang und würde bald zu Ende gehen. Sie hatte es bereits geahnt, aber Tirlania hatte jedes Zeitgefühl verloren. Wann immer sie während der Rettungsarbeiten in ihrer Nähe gewesen war hatte sie die Priesterin beobachtet. Auch wenn den meisten der Helfer nichts aufgefallen war, so wusste Kandra die Anzeichen zu deuten. Tirlania hatte die ganze Nacht durch immer wieder Gebete, Schutzzauber und kleine Heilzauber angewendet. Kandra wusste, dass Tirlania begabt war und ihr Glaube an das Licht unerschütterlich war, aber selbst sie musste irgendwann am Ende ihrer Kräfte sein. Sie konnte dieses Kind unmöglich retten.
„Das Licht schenkt uns Kraft und Wärme. Das Licht in der Dunkelheit möge hell erleuchten und die Finsternis in ihre Schranken weisen. Im Glauben an das Licht sind wir vereint und das Licht erbitte ich, um die Gunst dieses kleine Leben zu retten. Licht gib mir Kraft.“
Die Handflächen leuchteten erneut dieses Mal sichtbar und erhellten den Platz um die Mine. Kandra betrachtete die Priesterin bei der Arbeit und haderte mit sich, ob sie diese Narretei beenden sollte oder nicht.
Langsam strich Tirlania über den kleinen Körper vor sich und hüllte ihn in helles Licht, während sie die Gebete nur noch stumm vor sich hinsprach und sich auf das Mädchen im Gras vor ihr konzentrierte.
Nur Kandra, die immer noch nah genug am Geschehen stand sah genau was passierte und würde diesen Anblick nie vergessen. Während Tirlania das Kind sanft berührte hüllten sich beide Gestalten im Gras in leuchtendes Licht und mit jedem Atemzug, den das Kind in sich aufnahm, saugte es förmlich das Licht in sich hinein und die zerquetschten Knochen traten zurück in Formen, die dem Auge gefälliger waren und formten den Körper eines Kindes und die Atemzüge wurden kräftiger je mehr von dem Licht, dass den kindlichen Körper und die Priesterin umgaben in den Körper des Kindes eingesaugt wurden.
Das Geschehen hätte schön und ein Beweis für die Kraft des Lichtes sein können. Manche hätten es wohl als Wunder beschrieben und das Getuschel würde sein Übriges tun, doch Kandra hatte nicht nur das Schauspiel im Blick sondern bemerkte auch die schweren Atemzüge der Priesterin, welche den Blick nicht von dem Körper wandte. Zu viel – sie übernahm sich.
Novizen wie Kandra war es untersagt das Licht für solche Zwecke zu benutzen da sie sich zu leicht übernehmen würden und nicht mehr in der Lage wären das Gleichgewicht wieder herzustellen das sie unweigerlich in Unruhe brachten. Skeptisch, fast ängstlich blickte sie zu Tirlania. Das musste die Priesterin doch wissen. Was wenn sie sich hier und jetzt übernahm? Sie würde alle ins Verderben stürzen und Kandra fasste all ihren Mut zusammen und würde das Unterbinden.
„Lass mich – ich kann es schaffen. Ich werde es schaffen.“ hauchte Tirlania, ohne ihr Tun zu unterbrechen. Fast so als hätte sie die Gedanken der Novizin gelesen. Kandra hielt inne und sah dem Treiben mit gemischten Gefühlen zu.
Als das Licht, das die beiden einhüllte, verblasste regte sich das kleine Mädchen im Gras und atmete normal, sah fast gänzlich unverletzt aus. Kandra winkte einige Dörfler herbei und trug ihnen leise auf das Mädchen zu ihren Eltern zu bringen, während sie sich zu Tirlania hinab beugte und diese betrachtete.
„Das war töricht von euch. Manche würden es als Irrsinn bezeichnen.“ Tadelte sie ihre Oberin und half ihr auf. Der Körper fühlte sich leicht, schlaff und erschöpft an.
„Ich weiß. Manche würden das wohl. Andere würden es als Wunder betiteln.“
„Ihr müsst euch ausruhen.“
Tirlania nickte nur knapp und blickte über den Bergkamm der Mine nach oben. „Sieh nur… das Licht des Morgens wird uns nun beistehen. Die Dunkelheit der Nacht ist vorbei.“
Doch tief im Inneren wusste Tirlania, dass sie einen Teil der Dunkelheit nun mit sich tragen, würde bis das Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten, Leben und Tod, Dunkelheit und Licht wieder hergestellt worden wäre würden Wochen vergehen. Sie wusste, dass Kandra recht hatte. Es war Irrsinn gewesen das Kind zu retten, aber das war ihre Aufgabe. Würde es immer sein und sie war bereit jeden Preis zu zahlen der ihr auferlegt wurde, um diese Aufgabe zu erfüllen.
Sie ließ sich von Kandra stützen und zurück zu den anderen geleiten. Dieser Nacht hatten sie die Dunkelheit entrissen und im Licht erstrahlen lassen. Andere dunkle Nächte würden folgen. Sie folgten immer.
To be continued …
|