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Zul'Zimmet

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Veröffentlich am: 10.08.2021, 17:32 Uhr
Leer. Sowohl die holzvertäfelte Stube als auch die irdenen Töpfe, Jauchzen und Jammer liegen im Leben oft dicht beieinander. Doch ob schon diese Gnomin Cavy in letzter Zeit kaum noch aus dem nur fürs leitende Personal zugänglichen Küchentrakt herauszukommen schien: das Steingut war öfter leer, als Urra Steinhand lieb sein konnte.

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Sicher, sie selbst war nicht ganz unschuldig an diesem Zustand. Urra, halte Maß in allen Dingen, die alte Mahnung Muhme Kupferschwinges zerstob‘ wie ein Geschoss aus Pulverschnee, sowie frisches Zimtgebäck sein Dasein in jedem Winkel der Zuflucht kundtat.

Außerdem musste sie schnell handeln, so voll wie es hier geworden war in den vergangenen Wochen. Viele Hände machen Urras Freud' ein schnelles Ende, wer nachdenkt, zögert, verliert; so ging es nun zu, wenn es um Zimtschnecken ging! Aber ging das mit rechten Dingen zu? Was war das eigentlich für ein Zeug, dieser Zimt? Woher kam er?

Sicher von einem dieser Krawallkrämer, die täglich auf dem Kathedralenplatz lautstark ihre Waren anpriesen. Noch vor der Morgenröte, noch vor jedem anständigen Hahn, so fern es in dieser Stadt überhaupt solche gab. Oh ja, ihr Zimmer, Urra sollte dringend um einen Wechsel auf die andere Seite des Hauses nachsuchen, selbst der Klang von Hammer auf Amboss zur vierten Morgenstunde war besser als dieses Feilschgeschrei.

Aber auch Kaufmann und Händlerin musste diesen Zimt ja von irgendwoher beschaffen, über Mittelsleute, was das ganze sicher sehr teuer machte, meistens "Oh, ich muss fünf hungrige Mäuler stopfen"-teuer. Oder schlimmer noch, erhielt man das Gewürz gar nur über ein Kartell, ein Konsortium? Abgesprochene Preise, beschränkte Abnahmemengen, die beste Qualität dem Klüngel vorbehalten?

Wenn man es nur in ausreichend großen Mengen bekommen könnte, würden sich die Gefäße schneller neu befüllen? Man müsste die Quelle kennen, wissen was dort zu zahlen und wieviel von dort zu holen wäre. Oder war ein Ernten der Frucht, des Samens oder was-auch-immers sogar selbst möglich? Woher stammt Zimt? Irgendwo aus dem Süden, ganz sicher. Denn Khaz'Modan oder die Länder nördlich des Thandolübergangs kamen ganz sicher nicht in Frage.

Frag' Löcher in die Welt, Kind! Und is' keiner nicht da zum Fragen, dann lies'te, eh! Noch so ein Mantra der Muhme, von klein auf hatte Urra es sich anhören müssen, unzählige Male. Sicher, niemals würde ihr das Entziffern von Runen und Zeichen so leicht fallen, wie Udda oder Utta. Erst nach Jahren der Mühsal und verpasster Freuden in Klamm und Schlamm hatte die Muhme auch ihr halbwegs zufrieden zugenickt und geraunt: Kind, ein Verstand braucht Geschriebenes, wie eine Axt den Schleifstein.

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Und Geschriebenes hatte die Zuflucht einiges zu bieten, allein ganze fünf Regale im großen Raum, berstend voll mit Büchern, Folianten, Diarien, Kladden. Wem die alle wohl gehörten? Scheinbar unterschiedlich alt, waren die meisten in Allgemeinsprache verfasst. Und bisher hatte niemand etwas dagegen gehabt, wenn Urra sich willkürlich etwas herausgezogen und durchblättert hatte. Da, ihr Finger blieb auf dem Rücken eines betagteren Folianten hängen:

"De wahrhaftige Historia ond Beschreybung von de Zuedlanden ond Zuiderseen: Illustryrt von egener Hand mit allerley Gethier ond Botanica." von einem gewissen Alander Umboldo. Würde sich hier etwas über Zimt finden lassen?

Zitat:Zimmet; oda Zimmed, Zimt, Zimet, Zimmat oda Zinmënt; is a Gwiaz aus de drickadn Rindn vo de Zimtbaam. In an Kramershondl kimmt's ois Puiva, Stanga und ois Bliah. Zimt wead owa ned nua ois Gwiaz gnuzt. Ma vawendd's aa ois Raichaweak, duftigs Ejl und ois Medizin. Zimmed is ois von de tüürschte Gwiaz!
Ein Baum, sieh' an, ein Zimtbaum, ist es zu fassen. Beheimatet in den Dschungeln des Südens und eigentlich nichts weiter als gerollte, getrocknete Rinde. Und teuer, aber was beim Bart soll daran teuer sein, nur der weite Weg allein?

Urra betrachtet nachdenklich die den Text umgebenden Kolorierungen und Skizzen: ein Zimtbaam groß und klein, ein Blatt, ein Stück Rinde, terassierte, sonnenbeschienene Bauten umgeben von üppigem Dschungelgrün, kleine Panther luken zwischen Lianen hervor, hier und da ein Krokolisk mit offenem Schlund. Sicher die üblichen Übertreibungen und Verziehrungen eines Chronisten, nichts, worüber man sich ernsthaft Sorgen machen müsste.

Urra lässt das Buch offen aufgeschlagen auf einem der Tische liegen, beim Hinausgehen streift ihr Blick sehnsüchtig die immer noch leeren irdenen Gefäße...

Zuletzt bearbeitet am: 10.08.2021 20:35 Uhr.